DER GROSSE MÖRDER IST EIN GROSSER KASPER, ALLES, WAS ER TOTSCHLÄGT, LEBT LUSTIG WEITER
Transdisziplinäres Projekt von Johannes Hoffmann
der große mörder ist ein großer kasper, alles, was er totschlägt, lebt lustig weiter ist ein auf Dauer angelegtes Kunstprojekt. Eine vorläufige Textvariante sowie eine Hörspiel/Kinofilmversion ergänzten sich zum Abschlussprojekt im Masterstudiengang Transdisziplinarität an der ZHDK Zürich (2021), das mit dem DKV Förderpreis (2022) ausgezeichnet wurde. Das Projekt soll weiter geführt, immer wieder überschrieben, ergänzt und in andere künstlerische Räume übersetzt werden.
Bisherige Showings (2022):
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Inhalt:
In der Nacht vom 3. zum 4. September 1913 ermordet der Hauptlehrer Ernst August Wagner in seiner Wohnung in Stuttgart-Degerloch seine Frau Anna Wagner und seine vier Kinder Klara, Elsa, Robert und Richard Wagner. Am Morgen des 4. September versendet er per Post mehrere (Abschieds)briefe an Verwandte, Freunde, seinen Rektor, die Rentenanstalt in Stuttgart, sowie seine über 4 Jahre verfasste Autobiografie an die Zeitungsredaktion des „Neuen Tagblatts“. Gegen Abend fährt er in das dörfliche Mühlhausen a. d. Enz, wo er von 1901 bis 1902 Lehrer war, zündet mehrere Häuser an und erschießt acht Männer und ein Mädchen. Noch in der Nacht seiner Überwältigung durch Einwohner:innen Mühlhausens schildert Wagner unumwunden seine Pläne – er wollte seine gesamte Familie ausrotten, alle Männer in Mühlhausen töten, das Schloss zu Ludwigsburg anzünden und schlussendlich in den Flammen im Bett der Herzogin verbrennen. Wagner wird im folgenden Gerichtsprozess für unzurechnungsfähig erklärt und in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen, in der er 1938 stirbt. Sein Gehirn wird entnommen, konserviert und erst in den 1990er Jahren in einem medizinischen Archiv wiederentdeckt. In einer wissenschaftlichen Arbeit wird es mit den konservierten Gehirnen von Ulrike Meinhoff und Charles Whitman verglichen.
Der breiten Öffentlichkeit heute ist der Fall von 1913 nicht mehr bekannt, in der forensischen Psychiatrie und den medizinischen Rechtswissenschaften ist er aber immer noch ein wichtiger wissenschaftlicher Referenzfall.
"Johannes Hoffmanns Nomination für den ZHdK-Förderpreis gründete auf seiner beispielhaften Auseinandersetzung mit einem historischen «Stoff» aus einer transdisziplinären Haltung heraus. Ausgangspunkt der Masterarbeit ist der historische «Fall Wagner», ein Amoklauf, den Ernst August Wagner 1913 im süddeutschen Mühlhausen an der Enz verübt hat. Der Fall ist insofern bemerkenswert, als er sowohl rechtsgeschichtlich (Einstellung des Prozesses wegen Unzurechnungsfähigkeit) wie auch medizingeschichtlich (Entwicklung der Lehre der «echten Paranoia») einflussreich war und im Verlauf seiner Rezeption verschiedene, teilweise widersprüchliche Deutungen erfahren hat. Hoffmann bearbeitet den Fall in transmedialer Erzählweise: als Serie von Podcasts, als Buch in Form einer vielstimmigen und vielschichtigen Text-, Bild- und Quellencollage, aber auch als Hörfilm, Theatertext, schliesslich (geplant) als Ausstellung. Die transdisziplinäre Haltung umfasst sowohl Hoffmanns Recherche, die ethnographie-artige Feldforschung, kulturwissenschaftliche Archivstudien sowie autoethnographische Elemente."